Straßenexerzitien zur Ökumene der Märtyrer, Berlin

vom 29. März − 1. April 2015

2015 jährt sich das Martyrium von Helmuth James Graf von Moltke und Alfred Delp zum siebzigsten Mal. Der Vorsitzende des NS-Volksgerichtshofs Freisler verurteilte den Protestanten und den Jesuiten in einem gemeinsamen Urteil am 11. Januar 1945 zum Tod durch den Strang. Moltkes erst 2011 veröffentlichte Briefe aus der Haft werfen dabei ein besonderes Licht auf ihrer beider Tod. Moltke schreibt zwei Tage nach dem Urteil an seine Frau Freya:

Helmuth James Graf von Moltke

„… und dann wird dein Wirt [Moltke selbst] ausersehen, als Protestant vor allem wegen seiner Freundschaft zu Katholiken attackiert und verurteilt zu werden, und dadurchsteht er vor Freisler nicht als Protestant, nicht als Großgrundbesitzer, nicht als Adliger, nicht als Preuße, nicht als Deutscher – das alles ist ausdrücklich in der Hauptverhandlung ausgeschlossen (…) – sondern als Christ und gar nichts anderes.“

Die in Kreisau begonnene fruchtbare ökumenische Auseinandersetzung fand im Gefängnis in Tegel ihre Fortführung: Moltke und Delp verbrachten die letzten Monate ihres Lebens zusammen mit anderen Zelle an Zelle in ökumenischer Lese-, Bet- und Gesprächsgemeinschaft: sie vereinbarten eine gemeinsame Schriftlesung, beteten mehrmals gemeinsam eine Novene, sie nutzten die kurzen Hofgänge zu intensivem theologischen Austausch, der auch den mitangeklagten evangelischen Theologen Eugen Gerstenmaier und den Katholiken Fugger von Glött einschloss. Nicht zuletzt verband sie die geistliche Mitfeier des Abendmahls.

Alfred Delp

… und wenn wir wieder draußen sind, wollen wir zeigen, dass mehr damit gemeint war und ist als eine persönliche Beziehung. Die geschichtliche Last der getrennten Kirchen werden wir als Last und Erbe weitertragen müssen. Aber es soll daraus niemals wieder eine Schande Christi werden. An die Eintopf-Utopien glaube ich so wenig wie Du, aber der eine Christus ist doch ungeteilt und wo die ungeteilte Liebe zu ihm führt, da wird uns vieles besser gelingen, als es unseren streitenden Vorfahren gelang.

Delp an Gerstenmaier, Kassiber am 31.12.1944

70 Jahre nach ihrem Märtyrertod laden wir ein, gemeinsam ihrem Vermächtnis nachzuspüren. Was hat ihre Ökumene, ihre Gemeinschaft damals ausgemacht? Was hat sie uns Christen beider Konfessionen heute zu sagen? Welche Impulse und Anstöße lassen wir uns heute geben? Was haben wir in der Ökumene seitdem übersehen bzw. nicht beachtet?

Zum Nachspüren wollen wir dem Zeugnis der Märtyrer in mehrfacher Weise begegnen. Wir wollen aus Briefen und Kassibern lesen, Bibelworte und Lieder auf uns wirken lassen. Vor allem aber wollen wir in Anlehnung an die Praxis der „Exerzitien auf der Straße“ die Orte ihres Lebens und Sterbens aufsuchen und zu uns sprechen lassen. Können Sie für uns persönlich zu „heiligen Orten“ werden, an denen wir unsere Schuhe ausziehen, wie Mose einst in der Wüste? Als Christen in ökumenischer Gemeinschaft werden wir an jedem Abend zusammenkommen, Gottesdienst feiern, und unsere Erfahrungen austauschen.

Wir, die InitiatorInnen dieser Exerzitien, kommen aus beiderlei Konfessionen. Wir wertschätzen, was ökumenische Gesprächen und Dialoge über die vergangenen Jahrzehnte geschaffen haben. Dabei ist viel Kluges gesagt und geschrieben worden. Doch theologische Dispute können manchmal mehr trennen als einen.

Daher initiieren wir dieses Experiment als Prozess mit offenem Ausgang. Wir wissen nicht, was dabei herauskommen wird, wenn Christen verschiedener Konfessionen, Laien und Amtsträger, sich gemeinsam darauf einlassen. Aber wir vertrauen darauf, dass etwas Neues entstehen kann, wenn wir uns mit offenem Herzen auf den Weg machen. Wenn wir uns darauf einlassen zu Hören, was uns Gottes guter Geist 500 Jahre nach der Reformation im Zeugnis der Märtyrer des 20. Jahrhunderts heute sagen will.

Wer sich für dieses Experiment interessiert, möge sich bei uns melden. Anregungen für die Durchführung sind ebenso willkommen wie Interessenten für die Teilnahme.

Zeit:
Beginn: 29.03. 2015, ab 18:00 Uhr
Ende: 01.04.2015, nach dem Mittagessen

Ort: Berlin

Unterkunft und Verpflegung:
Die Teilnehmenden organisieren sich Unterkünfte selber. Für Impulse, Gottesdienste, gemeinsames Essen und den Austausch treffen wir uns an einem Ort bzw. an jeweils zu vereinbarenden Orten. Für die gemeinsamen Mahlzeiten bitten wir um einen kleinen Beitrag (ca. 5-10 Euro) pro Person.

Raum für Treffen und Gottesdienste:
wird noch gesucht

Initiatorin und Initiatoren:
Kathrin Happe
Jörg Haas
Christian Herwartz
Klaus Mertes

Kontakt und Anmeldung: strassenexerzitien@kathrin-happe.de

Zur Anregung und Vorbereitung:
Artikel von Klaus Mertes: Ökumene der Märtyrer. Jesuiten, Juni 2014, S. 18

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Interreligiöses Friedensgebet

Mündigkeit bewahren und zu Verantwortung stehen

Als Gesellschaft wollen wir einander Rechte und Schutz gewähren, diese sind festgehalten in Gesetzen. Nun beobachten wir in letzter Zeit immer häufiger, dass die Gewährung und der Zugang zu diesen grundlegenden Rechten in Deutschland, Europa aber auch in anderen Staaten an private Unternehmen übergeben werden.

Altenheime und Krankenhäuser werden von Betreiberfirmen nach betriebswirtschaftlichen Kriterien geführt. Schutz und Hilfe bei Unfällen kommt immer öfter von privaten Dienstleistern.

Verwaltungen übergeben die Verantwortung für Gemeindezentren und Flüchtlingsunterkünfte und ersetzen sie durch Verträge mit Betreiberfirmen. Die Verantwortung für Flüchtlingsheime, Übergangs- unterkünfte und auch das Abschiebegefängnis am Berliner Flughafen wurden und werden an Vertrags- partner ausgelagert.

Grenzsicherung ist ein anderes Beispiel für dieses Vorgehen.

Doch was heißt es für Schutzsuchende wenn sie sich nicht mehr an „die Gemeinde“ wenden, sondern an einen „beauftragten Vertragspartner“ der Gemeinde? Flüchtlinge, Alte und Kranke haben es schwerer, wenn sie Schutz brauchen und um die Einhaltung ihrer Rechte bitten müssen. Sie bitten dann nicht mehr uns als Gesellschaft um Hilfe und Unterstützung. Sie wenden sich an einen Betreiber, der in erster Linie betriebswirtschaftlich denkt. Statt sich der Verantwortung für die Einhaltung von Rechten und die Beseitigung von Missständen zu stellen, wird diese oft zwischen Gemeinde und beauftragtem Vertragspartner dem jeweils anderen zugeschoben.

Auf diesem Weg verlieren die Betroffenen, aber auch wir als Gesellschaft, einen Teil unserer Mündigkeit. Privatrechtlich braucht es einen Kläger und einen Beklagten. Diese fechten dann unter den Augen von Anwälten und Richtern das aus, was weite Teile der Gesellschaft betreffen kann.

Dabei stoßen sie an Grenzen der Rechtsprechung. Der Weg durch die Instanzen ist kräftezehrend und muss von dem, der eigentlich Schutz sucht, allein durchgestanden werden. Die Folgen und Entscheidungen trägt dann die Gemeinschaft, die diesen Rechtsprechungen unterliegt.

Wir verlieren ein Stück unserer Mündigkeit, wenn wir soziale Hilfs- und Schutzinstanzen, die uns alle betreffen, in einen Rahmen verlagern, wo es nur noch um den einzelnen Kläger und das private Unternehmen geht.

Wir verlieren Rechte, wenn ein Schaden entstehen muss, bevor die Verletzung von Menschen- und Schutzrechten überhaupt diskutiert und kritisiert wird. Lange bevor es zu Gerichtsverfahren kommt, spüren Menschen das Leid ihrer Mitmenschen. Lange bevor es zu einer fairen Rechtsprechung kommt, entstehen Schäden und Leid, die nicht mehr auszugleichen sind.

Wir bitten daher heute um den Mut, diese Missstände in die Aufmerksamkeit der Gesellschaft zu rücken. Wir bitten um Wachsamkeit und Mut, zu unserer Verantwortung zu stehen und Menschen zu schützen, bevor wir nur noch die Schädigung beklagen können. Wir bitten um den Mut für diejenigen, die zu ihren Verantwortungen stehen können, statt sie zu einem Verwaltungsvorgang zu erklären, in dem nicht mehr sie, sondern nur noch die Vertragsparteien betroffen sind.

Die Einladungstexte zu früheren Friedensgebeten stehen im Internet: http://www.friedensgebet-berlin.de